Kurzinfo zum Vorbild:
„Hondekop“ – Mat.’54 der NS
Nach dem Zweiten
Weltkrieg verfolgten die Niederländischen Staatsbahnen (Nederlandse
Spoorwegen, NS) sehr schnell das Ziel einer weitreichenden
Umstellung ihres Betriebes auf moderne Traktionsmittel. Mit
neu in Dienst zu stellenden Diesel- und
Elektrotriebfahrzeugen wollte man den Dampfbetrieb
schnellstmöglich ablösen. Und tatsächlich: Bereits 1958
endete der planmäßige Einsatz von Dampflokomotiven bei der
NS, nachdem genügend moderne Fahrzeuge zur Verfügung
standen.
Neben der Dieseltraktion, mit der man vor allem
Nebenstrecken bedienen wollte, legten die NS auf die
Elektrifizierung besonders großen Wert. So führte man denn
auch in den 50er-Jahren die bereits 1938 begonnene
flächendeckende Überspannung der Hauptstrecken mit dem
Fahrdraht zielstrebig fort. Bereits 1958 war der größte Teil
der wichtigen Hauptstrecken mit Oberleitung versehen.
Neben elektrischen Lokomotiven, die einen Großteil des
Güterverkehrs übernehmen sollten, wollte man auch den
Reisezugverkehr unter dem Fahrdraht abwickeln. Hierfür
sollten neben den Elektrolokomotiven der Reihen 1000 bis
1300 vorrangig moderne Elektrotriebwagen zum Einsatz kommen.
1954 erging daher die erste größere Bestellung
entsprechender moderner Triebwagen an die drei
niederländischen Schienenfahrzeughersteller Werkspoor,
Beijnes und Allan. Diese nach dem Jahr der ersten Bestellung
als „materieel ’54“ (kurz: „Mat. ’54“) bezeichneten
Triebwagen wurden ab 1956 an die NS abgeliefert. Die in
mehreren Serien erfolgende Fertigung dauerte bis 1962; die
modernen, grün lackierten Triebwagen wurden zunächst vor
allem im InterCity-Dienst eingesetzt.
Geliefert wurden die „Mat.’54“ sowohl
als Zwei- wie auch als Vierwagenzüge mit den Betriebsnummern
321-365 und 371-396 sowie 711-757 und 761-786. Aufgrund
ihrer charakteristischen schnauzenartigen Vorbauten, die
gemäß der Forderung der NS als „Sicherheitszone“ für den
Triebfahrzeugführer bei Frontalaufprällen dienen sollten
(und mit denen nach und nach auch die Kastenloks ausgerüstet
wurden, erhielten sie von Reisenden und Bahnpersonal schnell
den ebenso zutreffenden wie charmanten Spitznamen „Hondekop“
(„Hundekopf“).
Die Zweiwagenzüge 321-365 und 371-393 mit der Achsfolge
Bo’2’+2’Bo’ hatten eine Dauerleistung von 677 kW; ihre Länge
über Kupplung (LüK) betrug 51120 mm, das Dienstgewicht 110
bzw. 104 t. Sie boten 24 Reisenden 1. und 96 Reisenden 2.
Klasse einen Sitzplatz.
Die vierteiligen Einheiten 711-757 und 761-786 hatten eine
LüK von 99260 mm, die Achsfolge Bo’Bo’+2’2’+2’2’+Bo’Bo’ und
eine daher auf 1354 kW gesteigerte Leistung. Ihr
Gesamtgewicht betrug 213 respektive 206 t. Sie boten in der
1. Klasse 48, in der 2. Klasse 168 Reisenden eine
Sitzgelegenheit, zusätzlich verfügten sie über einen
Buffetraum, in dem nochmals 22 Personen Platz nehmen
konnten. Sowohl die Zwei- wie auch die Vierwagenzüge hatten
eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h.
Aufgrund ihres hohen Gewichtes – die „Mat.’54“ waren die
schwersten Triebwagen ihrer Art in Europa – besaßen sie
einen sehr guten Fahrkomfort; auch ihre Zuverlässigkeit war
sehr hoch, was sie auch beim Betriebsdienst äußerst beliebt
machte.
1969 brannte eine Hälfte des Vierwagenzuges 776 aus; da die
NS auf das immer noch dringend benötigte Fahrzeug nicht
verzichten wollte, wurde er daraufhin wieder neu aufgebaut.
Hierbei erhielt er auch eine neugestaltete Inneneinrichtung
mit 93 Plätzen in der 1. und 89 Plätzen in der 2. Klasse;
der Buffetraum hatte weiterhin 22 Plätze. Das Auffallendste
des nunmehr unter der neuen Betriebsnummer 1970 wieder in
Dienst gestellten Triebwagens jedoch war seine Lackierung im
modernen gelb-blauen Farbschema der NS. Nach seinem Schema
wurden Anfang der 70er-Jahre insgesamt 37 weitere
Vierwagenzüge umgebaut, die dann unter weitestgehender
Beibehaltung ihrer Endziffern in die neue Reihe 1700
umgezeichnet wurden. Lediglich die Anzahl der Plätze 1.
Klasse beließ man gegenüber dem 1970 wieder bei den
bekannten 48 (bzw. 45 bei den Triebwagen 1780-1791); in der
2. Klasse standen daher je nach Umbauserie 160, 158 oder 138
Sitzplätze zur Verfügung.
Auch die Zweiteiler und die nicht umgebauten Vierwagenzüge
erhielten zwischen 1971 und 1979 den neuen gelb-blauen
Anstrich. An ihrem Einsatzgebiet änderte dies nichts. Erst
in den 80er-Jahren wurde sie mehr und mehr von den neuen
Triebwagenzügen der Serie ICM-1 aus ihren
InterCity-Pläneinsätzen in weniger hochwertige Dienste
verdrängt. Zwischen 1993 und 1996 kam auch hier die Ablösung
durch die modernen „Koploper“-Elektrotriebwagen und die
Ausmusterung der letzten „Mat’54“.
Immerhin drei „Hondekop“ konnten der Nachwelt erhalten
werden, darunter zwei nicht betriebsfähige Zweiteiler und
der betriebsfähige Vierteiler 766 der Stiftung „Stichting
Mat’54 Hondekop-Vier“.
Parallel zu den „Mat.’54“ entstanden bei Werkspoor auch
insgesamt 12 optisch sehr eng verwandte zweiteilige
Triebzüge für den Benelux-Verkehr zwischen Amsterdam und
Antwerpen/Brüssel. Sie wurden von den NS und der belgischen
SNCB gemeinsam beschafft und waren aufgrund des
grenzüberschreitenden Verkehrs als Zweisystemfahrzeuge
ausgelegt. Die acht NS-Einheiten erhielten die Nummern
1201-1208, die SNCB-Triebwagen 220901-220904; ihre
Ablieferung erfolgte 1957. Abweichend vom „Hondekop“ trugen
sie von Anfang an einen dunkelblauen Anstrich mit gelbem
Band. Ihre Dauerleistung lag mit 608 kW sogar noch unterhalb
der der „Mat.’54“-Zweiteiler, die LüK war mit 51140 mm
minimal länger und das Dienstgewicht mit 116 t etwas höher.
24 sowie 96 Reisende konnten in der 1. bzw. 2. Klasse Platz
nehmen. Neben dem abweichenden Anstrich unterscheiden sie
sich auch durch die abweichende Dachausrüstung von den „Hondekop“-Zweiteilern,
da bei ihnen über jedem Führerstand ein Stromabnehmer (einer
für 1500 V, der andere für 3000 V) platziert ist. Auch die
„Benelux“-Triebwagen sind mittlerweile ausgeschieden.
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